Immer wieder höre ich auf den Veranstaltungen, auf denen ich meine gespließten Fliegenruten präsentiere, dass diese Gespließten zu teuer zum Angeln wären und daher nur für die Vitrine geeignet seien. Eine Aussage, die ich hier in Bezug auf neue Gespließte einmal näher betrachten und erläutern möchte.
Natürlich, wenn man nur den Preis als absolute Zahl betrachtet, dann handelt es sich um kein Schnäppchen, und man muss wohl sagen, dass diese handgearbeiteten Ruten teuer sind.
Wie so oft, gibt es auch hier ein großes ABER:
Bis nämlich der stolze Besitzer eine hochwertige Gespließte in den Händen halten darf, sind je nach Ausführung 50 - 60 reine Arbeitsstunden notwendig. Handelt es sich um eine Sonderanfertigung nach Wunsch, verschiebt sich diese Anzahl an Arbeitsstunden sehr schnell nach ganz weit oben.
"Mir wurde da eine neue Gespließte um 300 Euros angeboten..."
Da schrillen bei mir schon sämtliche Alarmglocken, die ich nur habe.
Es hat nämlich niemand was zu verschenken, auch nicht ein Gespließtenbauer.
Tatsächlich gibt es große Unterschiede bei Verarbeitung und Material:
Material:
Es ist ein großer Preisunterschied, ob zum Beispiel Aluminium, Messing oder verchromtes Blech (bei den Steckhülsen und den Beschlägen) verarbeitet wird, oder edles und leider sehr teures Neusilber.
Da man das benötigte Neusilber (auch Nickelsilber genannt) in der benötigten Qualität in Österreich nicht bekommt, addieren sich zum ohnehin schon hohen Preis auch noch Transportkosten, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer.
Das Gleiche gilt für das Holz der Rollenhalter: man kann sehr günstige Eiche oder Buche beizen und verbauen, oder seltene und daher teure Maserhölzer.
Gerade bei den Maserhölzern ist oftmals auch die Bruchgefahr bei der Bearbeitung sehr hoch, da Maserholz nicht selten rissig und spröde ist.
Wie ist der Leitring beschaffen: verchromt, mit Tungsteneinlage oder mit Achateinlage? Dies macht einen sehr großen Preisunterschied.
Ebenso ist es mit dem Spitzenring und den Schlangenringen. Wurde hochwertiges Material verbaut, oder minderwertige Qualität, um die Kosten niedrig zu halten?
Wurden beim Korkgriff billige Korkgriffe um wenige Cent/Stück verwendet, oder hochwertiger, feinporiger Kork (1 Euro und mehr je Stück).
Selbst bei teuren Qualitäten können nicht alle Ringe verwendet werden, somit entsteht Ausschuss - irgendwer muss auch den kalklulieren.
Ich bearbeite den fertig geschliffenen Griff sehr häufig mehrmals: hässliche Korkscheiben rausfräsen und neue verleimen, usw ...
Normalerweise werden je Griff 28 - 30 Ringe benötigt, somit kann ein hochwertiger Griff nicht mit 10 Euro veranschlagt werden.
Bei den Ringwicklungen kann feinste, englische oder französische Seide verwendet werden, oder billige Kunstseide - man sieht es dann am Ergebnis.
Beim Bambus kann Ausschussware verwendet werden, oder ausschließlich ausgesuchte Bambusrohre - die gibt es aber auch nicht an jeder Ecke. Oftmals sieht man die Fehler im Bambus aber erst beim Spleissen der Rohre, oder beim Hobeln der Spleisse.
Verarbeitung:
Einen großen Unterschied im Zeitaufwand macht die Verarbeitung des Bambus.
Werden die einzelnen Spleiße aus dem Bambusrohr gesägt, oder werden die Spleiße entlang des natürlichen Faserverlaufes herausgelöst (gespleißt)?
Sägen geht sehr schnell, und man hat dann auch gleich schnurgerade Spleiße, die man ohne viel Aufwand gleich weiterverabeiten kann.
Der Nachteil dabei: Die Kraftfasern laufen nicht gerade durch das Bambusrohr, und werden somit beim Sägen mehrfach durchtrennt. Das schwächt am Ende die fertige Rute. Mit Sicherheit nur marginal, aber doch.
Beim Spleißen entlang des natürlichen Faserverlaufes müssen die einzelnen Spleiße anschließend mühevoll und sorgfältig gerade gerichtet werden.
Somit braucht man beim Fräsen gerade einmal 1 - 2 Minuten je Spleiß anstatt 20 - 30 Minuten beim Spleißen entlang des Faserverlaufes.
Wurden die Blattknoten ordentlich verpresst, oder einfach nur weggeschliffen?
Wurden die Spleiße ordentlich gerichtet, oder wurde einfach drauflos gehobelt?
Schlampig bearbeitete Blattknoten stellen in jedem Fall eine Schwachstelle in der fertigen Gespließten dar, da auch hier zuviele Kraftfasern verletzt wurden.
Und so ließe sich die Reihe nahezu endlos fortsetzen....
Auch stellt sich die Frage nach der Herkunft des Blanks - es sind sehr häufig billige Blanks aus China am Markt zu finden. Nicht, dass diese Stücke automatisch schlecht sein müssen, aber die Streuung bei der Qualität ist sehr hoch. Kein Problem, wenn ein Hobbyrutenbauer einen dieser Blanks kauft und sich damit eine Gespließte aufbaut. Aber...
Es wird Werkzeug benötigt: Hobel, Messwerkzeuge, Hobelform, Härteofen, Drehbank, usw...
Gibt es Garantie bzw. Gewährleistung?
Berücksichtigt man dann die Material-Selbstkosten des Rutenbauers mit ca. 150 - 200 Euro / Rute, dann darf jeder selbst beurteilen, was eine faire und angemessene Entlohnung des Rutenbauers sein wird bzw. sein darf.
Verlangt dann ein Rutenbauer für eine hochwertige(!) Gespließte trotzdem nur 400 Euro (als Beispiel), so ist er möglicherweise von seiner Arbeit nicht überzeugt. In dem Fall würde ich es ihm gleichtun und ihm auch nicht viel Vertrauen entgegen bringen.
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